Die Politikwissenschaftler schreiben in ihren Büchern, und das nicht zu unrecht, dass der Kapitalismus die erfolgreichste Wirtschaftsform in der Menschheitsgeschichte ist. Nie war der Wohlstand größer, die medizinische Versorgung besser und die Lebenserwartung höher. Das jede Medaille zwei Seiten hat, soll nicht bestritten werden. Der Kapitalismus erkauft sich das alles mit der Zerstörung unseres Planeten. Das ist aber nicht das Thema dieses Artikels.
Unsere derzeitige Form des Kapitalismus ist der sogenannte neoliberale Kapitalismus. Seine Antriebskraft sind die Gier, Neid und Angst. Man guckt auf die anderen und auf das, was möglich ist. Und man will das auch haben und noch mehr. Nur „das Mehr“ schaft Befriedigung. Stillstand ist schlimm, weniger ist eine Katastrophe, wo man nicht mehr weiß wie man weiterleben soll. Weniger ist eine Schande und ein Versagen, so lehrt es die derzeitige Gesellschaftsordnung den Kapitalisten. Mit Angst vor dem Versagen und Angst den Lebenssinn zu verlieren, giert der Kapitalist nach mehr und neidet den noch Erfolgreicheren. Den Erfolgreicheren gemessen in Vermögen. Aber kann man das immer so fort und weiter machen? Oder hat dieses System ein Problem? Dieser Frage geht der Artikel nach.
Die Globalisierung
Wenn wir Globalisierung nicht nach der dynamischen Steigerung der Austauschverhältnisse auf Faktormärkten definieren, sondern nach der dynamischen Steigerung der Strukturen und Prozesse in Quantität (also eines immer größer werdenden Mehr an Strukturen und Prozessen), in Qualität (also einer immer größer werdenden Komplexität von Strukturen und Prozessen) und in geografischer Flächentiefe (also einem Fortschreiten aus den Metropolen in die Peripherie und dem Einbinden immer mehr Menschen und Gebieten in Strukturen und Prozesse), dann müssen wir folgenden Schluss ziehen: Das so geschaffene Mehr an Strukturen und Prozessen muss unterhalten und verwaltet werden. Das braucht ein Mehr an Ressourcen und ein mehr an Regulierung. Das ergibt sich aus der Logik der Sache.
Und hier versteckt sich ein Problem: Wir haben weder die Ressourcen noch die Regulierung, um Strukturen und Prozesse angemessen zu unterhalten und zu verwalten. Und dieses Weniger an Ressourcen zum Unterhalt und zur Regulierung nimmt mit der dynamischen Steigerung der Strukturen und Prozesse in gleichem Maße zu. Warum ist das so? Die Antwort ist einfach. Die Arbeitszeit von Menschen, und was sie in dieser Zeit leisten können, ist begrenzt. Man kann Ihnen das Mehr nicht unbegrenzt auferlegen. Irgendwann braucht es ein Mehr an Menschen, die unterhalten und regulieren. Menschen sind teuer. Und um so komplexer die Strukturen und Prozesse werden, desto mehr Menschen und desto mehr Spezialisten bedarf es. Damit wird es immer teurer. Der Kapitalismus will aber genau das Gegenteil. Weniger Regulierung, um billigere Strukturen und Prozesse zu haben. Ein Dilemma!
Geiz ist Geil?
Wie zu jedem Dilemma stellt sich die Frage nach dem Warum. Müssen wir dieses Dilemma haben? Die Frage ist vielmehr, ob wir uns angemessene Regulierung und Unterhalt der Strukturen und Prozesse leisten können oder nicht? Die Wirtschaft sagt „Nein“. Das sagt sie immer. Ist sie nur geizig oder hat sie die finanziellen Mittel hierfür wirklich nicht? Und hat sie der Staat auch nicht? Untersuchen wir das einmal:
Die Wirtschaft sagt, dass sie billig anbieten muss, weil sie sonst nicht konkurrenzfähig ist und der Verbraucher nicht bereit ist mehr zu zahlen. Beide Argumente können nicht überzeugen, um es vorweg zu nehmen. Wenn alle Konkurrenten auf einem Markt, weil der Gesetzgeber es so reguliert, gezwungen sind einen gewissen Standard einzuhalten, dann kann niemand unter einen bestimmten Preis anbieten, und folglich von seiner Konkurrenz aus diesem Grund unterboten werden. Hat es dann mit dem Verbraucher zu tun?
Nehmen wir mal das beliebte Beispiel mit der Milch, wo der Verbraucher einfach nicht bereit sein soll mehr für die Milch zu zahlen. Ist das so? Ich kaufe in der Regel Milch für EUR 1,29. Ich würde die Milch, wenn es sie dafür gäbe, gerne für 10 Cent kaufen. Wenn ich meinem Supermarkt sage, dass ich nicht bereit bin mehr als 10 Cent zu zahlen, lachen sie mich aus. Sie verhandeln auch sonst nicht mit mir. Sie setzen den Preis fest und ich muss dafür kaufen. Wenn die Milch EUR 1,39 kostet, muss ich das zahlen. Sonst habe ich keine Milch. Wenn ich Milch will, muss ich den Preis akzeptieren, zu dem sie verkauft wird.
Bleiben wir als Beispiel bei der Milch und ihrem Preis:. Es verhält sich natürlich etwas anders und ist anders gemeint. Um so billiger etwas angeboten wird, um so mehr kaufen die Verbraucher davon. Das Geschäft läuft über die Masse. Wenn der Preis für Milch steigt, dann wird weniger Milch verkauft. Gucken wir einmal auf die Beteiligten an diesem Geschäft: Milchbauer, Molkerei, Großhandel und Einzelhandel. Der Milchbauer bekommt jetzt 17 Cent, 50%, mehr für seine Milch. Die anderen nicht. Es wird weniger Milch verkauft, weil der Preis steigt. Alle, außer den Milchbauern, verlieren. Erhöhen sie auch die Preise wird noch weniger verkauft und sie verdienen auch nicht mehr. Am meisten verdienen sie, wenn ganz billig eingekauft wird. Dann kann man Masse verkaufen und hat im Preis noch Spielraum für einen guten eignen Erlös. Diesen Fehler im System, nennen wir es mal so, den Verbrauchern zuzuschieben, ist wohl eher Marketing als Wahrheit.
Weniger geht einfach nicht!
Lassen wir die Milch und widmen uns dem eigentlichen Problem: Wenn wir strikt regulieren, die Strukturen angemessen unterhalten und entsprechend mehr Menschen in den Prozessen beschäftigen, dann werden die Produkte und Leistungen, die wir konsumieren, teurer. Teurer heißt, dass weniger Geld für anderes bleibt. es heißt, dass in Masse gerechnet weniger konsumiert wird und die Wirtschaft weniger Gewinne macht. Es endet in einem weniger für alle. Wenn das Volk weniger hat, dann beschuldigt es die Politik und wählt sie ab. Fazit: Die Politik will kein Weniger, die Wirtschaft will kein Weniger und wir als Verbraucher wollen eigentlich auch kein Weniger. Jeder zeigt dabei auf den anderen und sagt: „Ihr müsst es aber bezahlen, wir nicht!“
Also müssen wir uns damit auseinandersetzen, wer die Unterhaltung und Regulierung von Strukturen und Prozessen bezahlen soll und wer das auch bezahlen kann? Wir haben drei Akteure: Den Staat, die Wirtschaft und die Verbraucher. Die Verbraucher zahlen Steuern und sie zahlen die Produkte und Leistungen der Wirtschaft. Die Verbraucher finanzieren also den Staat und die Wirtschaft. Müssen die Verbraucher mehr zahlen? Oder zahlen sie genug und der Staat, als auch die Wirtschaft, machen mit dem Geld der Verbraucher nicht das richtige? Die Frage ist schwer zu beantworten, da es sich um einen komplexen Prozess handelt.
Im kurzen gesagt, ist zum einen die Staatsverschuldung mit Zinszahlungen ein Problem. Mittel des Staates fließen ab an die Finanziers des Staates und können nicht genutzt werden. Zum andere werden Produkte und Leistungen subventioniert, um die elementare Versorgung der Verbraucher so billig wie möglich zu gewährleisten. Das tut die Politik zur Selbsterhaltung, da sie sonst abgewählt würde. Auch dieses Geld steht nicht zur Verfügung. Das restliche Geld fließt dann über Sozialleistungen zurück an den Verbraucher, was wichtig ist und worauf weder Politik noch Verbraucher verzichten können. Das Fazit ist, dass der Staat nicht die finanziellen Möglichkeiten hat, um angemessen Strukturen zu unterhalten und Prozesse zu regulieren. Es ist auch nicht sinnvoll den Verbraucher zu schröpfen. Wenn man ihn schröpft, dann geht der Wirtschaft die Nachfrage verloren. Bleibt also nur die Wirtschaft. Hat die Wirtschaft die Mittel, die wir suchen und will sie ihr Geld nicht hergeben? Das ist komplex und nicht so einfach zu beantworten. Sie könnte sicher mehr leisten, aber sie könnte ebenso sicher nicht alles leisten. Könnten die Milliardäre und reichen es leisten? Tatsächlich fließt ihr Geld über Anlagen wieder in die Wirtschaft und steht da zur Verfügung. Das bringt auch nichts.
Der tragische Schluss ist der, dass das System hier einen Fehler hat. Strukturen und Prozesse nehmen in jeder Hinsicht zu und die Mittel sie angemessen zu unterhalten und zu regulieren steigen in einem weitaus geringerem Maße aas benötigt, so dass sich das Missverhältnis zwischen beiden stetig vergrößert. Der traurigen Logik nach, gibt es einen Kipppunkt ab dem das Missverhältnisses zum Zusammenbruch dieses Systems führen muss.
Das Ende der Ressourcen
Wir haben noch mehr Probleme im System als nur das bereits beschriebene. Der neoliberale Kapitalismus kennt nur das Mehr. Wir haben fünfzig Jahre nur Steigerung hinter uns. Eine Steigerung, die darauf basiert, dass mehr konsumiert wurde. Dieses mehr beruht zuerst einmal auf eine Verdreifachung der Weltbevölkerung. Mehr Menschen bedeuten mehr Konsumenten, die man bedienen muss und die wiederum das System bedienen. Entsprechend fördern wir mehr Öl, mehr Kohle produzieren mehr Konsumgüter und so weiter, weil es jemand braucht. Und dabei gehen wir nicht nachhaltig vor, sondern wir beuten unseren Planeten aus. Wir entnehmen ihm mehr als nachwachsen kann. Und das tun wir schon seit Mitte der 1960er Jahre. Daraus machen wir auch keinen Hehl, denn wir berechen den sogenannten „Earth Overshoot Day“, In 2019 war dieser am 29. Juli des Jahres. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 war dieser noch am 1. November.
Die Ressourcen sind also endlich. Wir können das Mehr nicht unendlich lange so fortführen. Wir können die Menschen nicht nochmal Verdreifachen und die Ressourcen des Planeten gehen zu Ende. Auch hier hat das System einen Kipppunkt, den wir früher oder später erreichen. Und dieser zeichnet sich schon ab.
Negativzinsen und irreale Börenkurse
Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu verstehen, dass etwas nicht stimmt, wenn es zu Negativzinsen kommt. Nehmen wir einmal an, dass ich eine Million Euro habe und sie anlegen will. Dann frage ich alle, die ich kenne, und niemand sagt ja. Am Ende erbarmt sich einer, weil ich das Geld loswerden will, sagt mir aber, dass er mir nach einem Jahr nur 980.000 Euro zurückgibt. Klingt schräg und ist auch schräg. Wenn das passiert, dann hat das Geld nicht mehr den nominalen Wert, der draufsteht. Negativzinsen sind eine Form der Geldentwertung. Eine andere Form von Inflation.
Tatsächlich ist zuviel Geld im Markt. Nicht im Konsummarkt, sondern im Anlagemarkt. Mehr Geld als es sichere lukrative Anlagemöglichkeiten im Markt gibt. Was soll man dann mit dem überschüssigen Geldangebot machen? irgendetwas muss man ja machen, also kauft man Aktien, denn die versprechen als einziges noch Gewinn. Die Kurse steigen. Man braucht das Geld nicht, weil man ja eh zu viel davon hat, und muss deswegen auch keine Aktien verkaufen. Die Verkäufe bleiben niedrig. Die Käufe gehen dagegen immer weiter, weil zu viel Geld da ist. Folglich steigen die Kurse immer weiter. Das sehen wir derzeit sehr deutlich an den Börsen. Die Kurse steigen und steigen und haben nichts mehr mit dem Wert und den Gewinnen der Unternehmen zu tun.
Ein weiterer Aspekt ist noch der Vermögensverwalter BlackRock. Die Firma investiert nicht nur Kundenvermögen, sondern vor allem verwaltet sie auch das Vermögen vieler großer Fonds und Pensionskassen weltweit. Das tut sie mit ihrer Software „Aladin“, die niemand reguliert und von der nur BlackRock weiß, was sie genau macht. Wissen tun wir nur, das das Programm u.a. Aktien handelt. Ist diese künstliche Intelligenz besser als der Mensch und gehören Börsencrashs damit der Vergangenheit an? Schön wäre es, aber glauben tue ich es nicht. Sicher ist nur eins, egal ob der Mensch oder ein Computer handelt: Wenn es mehr Verkäufer gibt als Käufer, dann fallen die Kurse ins bodenlose. Damit das nicht passiert, braucht das System immer genügend Geld zum Kaufen. Wenn das nicht mehr vorhanden ist, dann kippt dieses System.
Der Markt regelt das nicht!
Der neoliberale Kapitalismus fährt mit hoher Geschwindigkeit auf die Wand zu. Anstatt in eine andere Richtung zu steuern, fährt man weiter geradeaus und erhöht noch das Tempo. Der Markt regelt das schon, sagt man sich. Das ist falsch. Der Markt regelt das nicht. Der Markt fährt uns in dieser Form an die Wand!
Gibt es einen Ausweg? Das weiß ich nicht und es ist mir auch fern Pessimismus und den Systemzusammenbruch zu predigen. Ich glaube an die Marktwirtschaft und ich halte sie für den richtigen Weg in die Zukunft. Aber nicht den neoliberalen Kapitalismus. Wir müssen hin zu einer regulierten Marktwirtschaft, in der Unternehmen zur Nachhaltigkeit gezwungen sind. Hin zu einem System, in dem der Staat elementare Aufgaben erfüllt und das Allgemeinwohl nicht den Gewinninteressen der Wirtschaft zum Opfer fällt. Und hin zu einem System, in dem andere Werte als Wachstum das Motiv für Erfolg darstellen. Ob mit diesem Ansatz oder auch anders, nur eines ist klar: Wir müssen etwas ändern, denn der Weg, den wir derzeit gehen, ist endlich und das Ende kommt schnell näher.
Wohlstand ist bequem, das wissen wir alle. Und wir leben derzeit bequem im nie gekannten Ausmaß. Wir feiern eine Party, die immer weiter geht. Das niemand freiwillig auf eine andere, etwas weniger bequem verlaufende Party wechseln will, ist nur zu verständlich. Das wollen wir alle nicht und das will ich auch nicht. Realistisch betrachtet geht unsere Party, wie jede Party, aber einmal zu Ende. Wenn wir jetzt sagen „Dann lasst uns bis zum Ende in vollen Zügen die Party genießen und danach die Sintflut!“, dann ist das sicher eine mögliche Lebensweise. Aber gegenüber unseren Kindern und den nächsten Generationen, so leid es mir tut das zu sagen, ist das eine verantwortungslose Lebensweise. Wenn eine Greta Thunberg dagegen auf die Straße geht, dann hat sie recht.