Dieser Artikel befasst sich nicht mit Spekulationen darüber, wer nach der Wahl mit wem koalieren und die Regierung stellen wird. Ich möchte einige Analysen und Gedanken zum Wahlkampf und den Veränderungen in der politischen Kultur, die mir aufgefallen sind, veröffentlichen. Wir leben in spannenden als auch komplizierten Zeiten. Es ist schwierig sie zu durchblicken. Aber es scheint mir, als verändert sich etwas in der Gesellschaft.
Vorher möchte ich, und das ist mir sehr ernst, mein Entsetzen über die Wahldurchführung in der Bundeshauptstadt Berlin ausdrücken. Man hat 4 Wahlen, die Bundestagswahl, die Berliner Wahl, die Bezirkswahl und einen Volksentscheid zusammen abstimmen lassen. Und ganz offensichtlich waren sowohl Wähler*innen als auch die Organisatoren damit komplett überfordert. Letztere mehr als erstere. Das ist für Deutschland beschämend und es schockiert mich. Insbesondere deswegen, weil der Landeswahlleiterin viele Problem vorher bereits bekannt waren. Ein Rücktritt reicht hier meines Erachtens nicht aus. Wir brauchen Aufklärung und Konsequenzen für die Zukunft.
Das Ende der Ära Merkel
Fr. Dr. Merkel war 16 Jahre Bundeskanzlerin und hat die Regierung geführt. Diese Leistung muss man würdigen. Sich als Frau in der CDU so lange und so konsequent an der Macht zu halten, ist ein außergewöhnliches Lebenswerk. Ihre großen Erfolge hat sie meines Erachtens in der Außenpolitik erreicht. Natürlich kann sie alleine nicht die Welt retten. Aber Fr. Dr. Merkel hat hier vieles bewegt und international Anerkennung gefunden. In der Innenpolitik jedoch fällt die Bilanz in meinen Augen weniger positiv aus. Am Ende ihrer Ära muss man leider resümieren, dass Deutschland bei der Digitalisierung abgeschlagen ist, in sozialer Gerechtigkeit keine Fortschritte gemacht hat, auch im Klimaschutz viele Defizite aufweist und marode, unterfinanziert Infrastruktur wie Schulen und vieles mehr hat. Hier sollte man nicht vergessen, dass einiges davon auch nicht das Programm der CDU und von Fr. Dr. Merkel waren. Sie war eine konservative Neoliberalistin, was oftmals immer wieder vergessen wird.
Fr. Dr. Merkel hat einst von Gerhard Schröder und der SPD die Regierung übernommen. Man müsste meinen, dass hier ein Wechsel von der Sozialdemokratie zurück zu der neoliberalen CDU erfolgt ist. Bemerkenswerterweise ist das aber gar nicht der Fall gewesen. Helmut Kohl, der durch den Zusammenbruch des Ostblocks länger Kanzler bleiben durfte, als das Schicksal ihm sonst hätte zugestanden, verlor 1998 gegen Gerhard Schröder und die SPD. Letzterer stellte alle Sozialdemokraten in der SPD kalt und führte dann die liberale Realpolitik der CDU in weiten Teilen fort. Seine Erfolge waren außenpolitischer Natur, wie die von Angela Merkel, und auf diesem Gebiet vielleicht sozialdemokratisch. Innenpolitisch stellte er die Weichen für mehr soziale Ungerechtigkeit und machte Politik zu Gunsten der Wirtschaft. Auch Gerhard Schröder, genau wie heute Armin Laschet, konnte dann am entscheidenden Wahlabend seine Niederlage nicht einsehen. Fr. Dr. Merkel hat ihn gekonnt weggeschwiegen und dann übernommen. Eine Ihrer größten Kompetenzen, zu wissen wann man schweigen muss, und einfach zusehen, wie der Gegner sich selbst demontiert.
Seit 1982, so die schlichte Bilanz, wird unser Land also Neoliberal regiert und, das kleine Intermezzo von Herrn Schröder einmal abgesehen, von der CDU/CSU. Fr. Dr. Merkel scheidet nun aus dem Amt. Sie hat das lange vorab angekündigt. Nach der Ankündigung gab sie den Parteivorsitz ab und hat zu allem weiteren in der Partei geschwiegen. Eine wirkliche Nachfolge gab es nicht. Eine neue starke Person, die die Unionsparteien eint und als Kanzler*in geeignet wäre, hat sie nicht hinterlassen. Fr. Dr. Merkel hatte die Partei auf sich ausgerichtet und gesorgt, dass niemand ihr den Führungsanspruch streitig macht. Entsprechend sehen wir nun ein Vakuum, das sie hinterlässt. So kommt es, dass Fr. Dr. Merkel geht, den Hunden die Leinen abnimmt und sie sich selbst überlässt. Und keiner der Hunde weiß, was man mit der nun gewonnen Freiheit tun und wo man hinrennen soll. Schließlich hatte Frauchen 16 Jahre lang bestimmt und niemanden ist dabei selbständig geworden.
Die CDU
Die CDU lieferte vor der Wahl und im Wahlkampf eine bemerkenswertes Schauspiel. Man fand keinen geeigneten Vorsitzen und keine Richtung. Annegret Kramp-Karenbauer schmiss hin. Sie konnte die Partei nicht hinter sich einen. Nach ihr die Wahl zwischen…, ja, wozwischen eigentlich? Es standen drei Kandidaten zur Auswahl, die niemand wirklich wollte. Und ansonsten gab es auch in der ganzen Partei niemanden, den man wollte und der es auch konnte. Keine starke Persönlichkeit, kein außerordentliches Talent, niemand. Natürlich glaubten viele etwas anderes von sich, aber tatsächlich hatte keiner die notwendigen Fähigkeiten. Und irgendwie wusste die Partei es auch selbst. In einem knappen Rennen wurde Armin Laschet Parteivorsitzender und damit auch die Person mit Anspruch auf die Kanzlerkandidatur.
Die Qualität von Armin Laschet ist da zu sein, und wenn er einmal da ist, nicht mehr wegzugehen. Er redet gerne viel, und meistens zu viel. Dabei macht er sich nicht selten die Welt, so wie sie ihm gefällt, aber real nicht ist. Mit ihm als Zugpferd ging man in den Wahlkampf. Da Armin Laschet, einmal da, nicht weggeht, wurde er auch der Kanzlerkandidat der Unionsparteien. Er saß Söder aus. Und am Ende hatte man sogar ein Wahlprogramm und ein Zukunftsteam. Beides davon vor allem auf dem Papier und ohne einen praktischen Nutzen.
Bemerkenswert im Wahlkampf der CDU war eine inhaltliche Leere. Das einzige Konzept war gegen die anderen zu sein und vor einem Linksrutsch zu warnen. Wofür man selbst stand, das wusste man offensichtlich selbst nicht genau. Man wollte an der Regierung bleiben. Dafür standen die Unionsparteien. Nach 16 Jahren hatte man einen Anspruch drauf, so kam es nicht selten bei den Wähler*innen an. Man machte Wahlkampf nicht für sich, sondern gegen die anderen. Das war die Strategie, falls es eine Strategie war, und nicht der Hilflosigkeit einer fehlenden Strategie geschuldet.
Wahlkampf in der Zeitenwende
Die Strategie gegen die anderen zu sein startete überraschend gut. Man geriet in die Gefahr hinter die Grünen zu fallen. Daraufhin schlug man medial mit allem Schmutz auf Diem Grünen ein. Das ist bemerkenswert, weil der eigene Schutz viel größer war, aber das interessierte niemanden. Die Grünen wehrten sich nicht und ließen sich auch nicht auf das Niveau herab, was in der Politik zu nichts führt. Und so geriet die Union wieder in den Aufwind. Aber das war nur von kurzer Dauer. Denn der Kanzlerkandidat redete zu viel und machte eine schlechte Figur. So kam die SPD zu einem Aufwärtstrend, wo ein Olaf Scholz einfach erfahrender als Armin Laschet war. Darauf hin schlug man dann medial und mit allem Schmutz auf die SPD ein. Die werte sich, genau wie die grünen, auch nicht oder begab sich auf das Niveau der CDU. Aber diesmal brachte es der CDU nur eine kaum spürbarer Wirkung. Die CDU war bereits entlarvt, verlor am am Ende über 8% und landete hinter der SPD.
Es verbleibt festzustellen, dass die alten politischen Methoden der CDU in der modernen Welt nicht mehr funktionieren. Wer sie wählt, weil er sie immer gewählt hat, der wählt sie weiterhin. Doch die Neu- und Wechselwähler erreicht die CDU kaum noch. Hier hat sich etwas verändert. Das zeigte sich schon in der Europawahl 2019. Der Youtuber Rezo erwischte die CDU mit einem Video eiskalt. Das Video war nichts als die blanke Wahrheit, jede einzelne Aussage mit Beweisen stich- und gerichtsfest belegt. Die CDU war im Schock, die damalige Vorsitzende (AKK) mit der Situation völlig überfordert. Man irrte herum und fand keinen Weg damit umzugehen. Am Ende wurde der Schluss gezogen, dass man die “Kontrolle über die Nachrichten erlangen muss”, und somit nicht der Fehler in der CDU liegt, sondern bei den Nachrichten. Es ist nicht verkehrt, dass die CDU Fehler macht, es ist verkehrt, dass darüber berichtet wird. So die Schlussfolgerung, denn bisher war so etwas nie in dieser klaren Form passiert. Die traditionellen Medienhäuser waren hierbei gnädiger mit der Politik. Warum eigentlich?
Mit dem Internet verlieren die klassischen Medien an Reichweite. Hinzu gewinnen andere Medien, Socialmedia-Plattformen und Influencer. Dieses hat die CDU nicht erkannt noch kann sie darauf mit ihren Methoden Einfluss nehmen. Daher platzierte man die Tochter von Schäuble an die Spitze der ARD und ging Verbindungen mit dem Axel Springer Verlag ein. Ohne jemanden böses unterstellen zu wollen, musste man am Ende feststellen, dass der ein oder andere Inhalt wider der CDU hier nicht zu finden war und dagegen Inhalte wider anderer Parteien doch recht schnell. Das half aber am Ende nur über die 20% zu kommen, aber nicht mehr um zu gewinnen. Die “Meinungsmache” wurde auf anderen Medien geführt, die die CDU nicht unter Kontrolle hatte.
Wählerverluste nach allen Seiten
Die Union verlor an Wählerstimmen. Am deutlichsten an die AfD, aber, auch sehr deutlich an die Grünen, die SPD und etwas an die FDP. Das Konzept dagegen war sich inhaltlich den Wählern hinterherzubewegen. Man versuchte rechter als die AfD zu sein und grüner als die Grünen. Dabei verlor man jede Glaubwürdigkeit und niemand wusste mehr, für was die CDU eigentlich stand. Letztendlich auch die CDU selbst nicht mehr. Diese inhaltliche Implosion der CDU bekam auch der Wähler mit. Am Ende merkte auch jeder, dass Laschet in der Eignung als Kanzler den anderen Kandidaten nachsteht. Und so war die Abwärtsspirale folgerichtig und nur die Schmutzkampagne gegen Links hat die CDU vor noch größeren Verlusten bewahrt.
Was die CDU hierbei nicht verstanden hat, ist die Tatsache, dass das Internet sie nicht aus einer Verblendung oder Kampagne her abgestraft hat. Dem Internet ist es am Ende egal, welche Partei Deutschland regiert, so lange sie Deutschland gut regiert. Die Menschen wollen keine Vetternwirtschaft, keine Selbstbereicherung und keine Politiker, die einen Skandal nach dem anderen produzieren, den man dann vertuscht. Hier hat die CDU das Maß in jeder Hinsicht verloren, und nur deshalb wurde sie abgewählt. Und nur deshalb schwinden ihr auch gerade die jungen informierten Wähler. Für diese macht die CDU, nicht unberechtigt so zu sehen, nur Politik für sich selbst und für Lobbyisten, nicht für das Volk. Früher konnte man das machen, und niemand erfuhr es, aber heutzutage ist das anders.
Die SPD
Die SPD ging abgeschlagen in den Wahlkampf und niemand glaubte mehr an sie. Dem voraus war der Niedergang der Partei gegangen. Unter Willy Brand und Helmut Schmidt war man sozialdemokratisch. Seit Gerhard Schröder war man das nur noch auf dem Papier und die eigentlichen Sozialdemokraten in der SPD kamen nicht mehr gegen den sozialliberalen Flügel an, der die Zügel jetzt in der Hand hatte. Sozialliberal definierte sich hierbei so, dass mitten in der SPD eine CDU-Gruppe das Ruder übernommen hatte. Da man aber schon eine CDU hatte, brauchte Deutschland keine zweite CDU, und folglich stürzte die Partei ins Bodenlose. Mit Borjans und Esken wählte man, im Bodenlosem angekommen, vor der Bundestagswahl zwei Sozialdemokraten an die Spitze. Scholz verlor diese Wahl um den Parteivorsitz. Die Basis wollte keine sozialliberale Spitze. Aber nichts desto trotz nutze Scholz seine Machtstellung in der Partei und machte sich selbst zum Kanzlerkandidaten. Die zwei anderen waren ihm dabei recht egal und denen war es offensichtlich auch egal. Danach tat er im wesentlichen nichts und die anderen auch nicht. An der Basis arbeitete man und viele frische Leute machten sozialdemokratischen Wahlkampf für einen sozialliberalen Kanzlerkandidaten. Auf die Schmutzkampagnenmethoden der CDU ließ man sich nicht ein.
Es waren die Dynamiken der anderen Parteien, die die SPD am Ende zum Gewinner machten. Als die Grünen eine Gefahr für die Unionsparteien zu werden drohten, schlugen diese, unter der Hilfe rechter Lobbyverbände, mit einer Schutzmethode auf diese ein. Die Grünen wurden im wahrsten Sinne des Wortes “kleingemacht” und unwählbar. Aber danach wurden mehr und mehr Wähler*innen klar, dass die CDU keine Zukunftsvisionen hat, für keine klaren Inhalte steht und Armin Laschet nicht der geeignetste Kanzlerkandidat ist. Wohin wechseln fragten sich die Wähler*innen? Und da bot Scholz den sicheren Hafen. Er steht mehr für liberal als für linke Sozialdemokratie, er ist bereits bekannt aus der jetzigen Regierung und somit die perfekte Verkörperung von einem Wechsel mit gleichzeitiger Kontinuität. So flossen die Wähler zur SPD, weil Grüne und CDU (auch Linke) in ihren Augen unwählbar waren. Der Wahlsieg war kein Sieg der SPD, der auf deren Leistung basierte und auch kein sieg der Sozialdemokratie. Man gewann, weil die anderen so schlecht waren oder so schlecht gemacht wurden, und man selbst erst auf die Abschussliste für eine Schmutzkampagne kam, als es schon zu spät und die Union entlarvt war.
Die FDP
Die FDP hielt sich im Wahlkampf zurück und blieb konstant in den Umfragen. Sie legte im Vergleich zu 2017 leicht zu. An Ihrer Spitze stand und steht Christian Lindner unangefochten. Abgesehen von einem FDP-Politiker im Osten, der stark nach rechts neigte, und einem in Norden, der oftmals wirre Dinge daherredet, war die FDP skandalfrei. Sie blieb auch ihrer Linie treu. Liberal, definiert als wirtschaftlich-neoliberal. Das hielt man durch bis zum Ende. Selbst beim Klimaschutz keine Bewegung und wo immer man was sagen musste, sagte man: “Der Markt muss das regeln!” Der natürliche und erste Partner der FDP ist die CDU, auch daraus machte man kein Geheimnis. Damit gelang es der Partei für Verlässlichkeit zu stehen. Das kam an. Man hatte eine Ideologie und richtete diese nicht dem Wind nach aus. Man blieb sich treu.
Die FDP tat aber noch etwas anderes, von den meisten völlig unbemerktes. Man zeigte sich den jungen Wählern in deren Formaten auf Tiktok, Instagram und anderen Plattformen. Und das sehr erfolgreich. Dabei ist man sich selbst auch treu geblieben und spricht die jungen Menschen an, die nach materiellem Erfolg streben. Die Botschaft ist klar: “Wählt uns, den mit uns schafft ihr es am Ende zu einem dicken Haus mit SUV vor der Tür. Und das Klima regeln wir mit dem Markt von ganz allein. Macht euch keine Sorgen um die Zukunft.” Dafür nutzen sie ihre jungen, dynamisch wirkenden, teils wie Models dargestellten, jungen Männer mit offenen Hemden, die den Erfolg bildlich an die Wähler transferieren. Das hat gezogen. Das ist für die Jugend attraktiv. Es wäre falsch anzunehmen, dass alle Jugend jetzt “Öko” ist und grün wählt. Da ist auch noch der andere Teil und dieser wählt, vorwiegend Männer aber nicht nur, jetzt die FDP. Sie steht für jung, dynamisch, erfolgreich und die CDU für alte weiße Männer-Auslaufmodelle.
Somit hat die FDP am Ende aus eigner Kraft dazugelegt und die Wähler, die sie gewählt haben, sind ihre Substanz. Man wählte sie nicht, weil sonst keiner wählbar war. Man wählte sie, weil man diese Ideologie wählen wollte, weil man Freiheit, Wohlstand und Erfolg im Leben als Ziel hatte, was die FDP einem versprach.
Die Grünen
Die Partei kam durch die Fridays for Future Demos und den Klimaschutz als globales Thema in einen deutlichen Aufwind. Als man dann noch Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin aufstellte, schoss man in Richtung 30% und in Richtung stärkste Kraft. Dabei war die Partei selbst, vom Apparat und ihren Strukturen her, weiterhin eine 8% Partei, und nicht mehr. Der Erfolgt kam zu plötzlich, zu schnell und konnte nicht von Dauer sein. Man war für die große Bühne noch nicht reif. Die Realität sollte die Grünen dann auch einholen. Als man die Unionsparteien gefährdete schlug der Schmutz von allen Seiten auf sie ein. Dagegen war man, selbst wenn man so etwas erwartet hatte, machtlos. Man hatte diese Mittel zur Gegenwehr nicht und es war auch nicht der Stil der Grünen.
Das bemerkenswerte an der Schmutzkampagne gegen die Grünen ist, dass die CDU selbst viel größere Skandale hatte, allen voran Armin Laschet. Sein Lebenslauf ist keineswegs besser und vollständiger als der von Annalena Baerbock und sein Buch um ein vielfaches skandalbehafteter. Aber die Grünen schlugen nicht mit gleichen Münze zurück, sondern sie schlugen gar nicht zurück. Annalena Baerbock nahm die Kritik an und entschuldigte sich für die kleinen Fehler. Eine Strategie, die andere Kanzlerkandidaten und Politiker so nie gegangen wären. Eine völlig neue Strategie, die auch die Wähler*innen überraschte. Es kam so an, als gäbe Frau Baerbock alles zu und wollte vorsätzlich Täuschen. Und so jemanden vertraut man dann nicht das Kanzleramt an. Entweder weil die Person menschlich ungeeignet ist oder weil sie nicht die Fähigkeit hat, sich gegen die anderen zu wehren und durchzusetzen.
Die Schmutzkampagne überforderte die Grünen. Annalena Baerbock verschwand aus der Öffentlichkeit, was ihr noch zusätzlich schadete. Und sie erholte sich davon nicht mehr. Die Grünen waren für einen Teil der Wähler*innen jetzt unwählbar, weil sie der Politik auf der großen Bühne noch nicht gewachsen waren. Meiner Meinung nach wäre das auch mit Robert Habeck als Kanzlerkandidaten nicht anders gelaufen. Er wäre der Schmutzkampagne genau so erlegen und man würde jetzt sagen: “Hätte man doch nur Baerbock genommen!” Es war egal, wen man nahm, man war noch nicht richtig aufgestellt für die große Bühne. Das es am Ende nicht mehr Prozente wurden ist in sofern folgerichtig.
Interessant und nicht zu übersehen ist aber auch, dass Annalena Baerbock für einen ganz neuen Typ von Politik und von Kommunikation steht. Sie gab der Bildzeitung kein Interview, sie machte den Populismus nicht mit und vieles mehr. Gleichzeitig ist sie selbst junge Mutter und Familienmensch. Als Sanna Marin Ministerpräsidentin von Finnland wurde, stellte eine Zeitung die Frage, ob Deutschland für so etwas schon bereit wäre? Die Antwort ist offensichtlich “Nein”. Wir kommen nicht umhin anzumerken, dass im Wahlkampf auch dies Tatsache, dass Annalena Baerbock eine junge Mutter ist, eine Rolle gespielt hat. Und dieser Umstand hat Frau Baerbock nicht geholfen, sondern eher geschadet. Und somit bleibt nur der Schluss, dass wir gesellschaftlich hier rückständiger in unseren Denkmustern sind als einige andere Länder.
Die Linken
Eine Partei mit einem Erbe aus DDR Zeiten, der Nachfolger der SED, wie sie von vielen noch gesehen werden. Einst mit Zugpferden wie Gysi, Lafontaine und Wagenknecht. Wenn man an die Partei denkt, denkt man automatisch an Flügelkämpfe, Uneinigkeit und Chaos. Das ist das Problem der Linken und das wurden sie auch nicht in diesem Wahlkampf los. Von rechts schlug man auf sie drauf und kommunizierte, dass die Partei die Demokratie abschaffen will und einmal vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Und aus den eigenen Reihen meldeten sich immer wieder Wagenknecht und Lafontaine mit Störfeuer. Ob letztere mit ihren Kritiken Recht oder Unrecht hatten sei dahingestellt. Hilfreich waren sie für den Wahlkampf nicht.
Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow übernahmen die Führung der Partei Anfang des Jahres. Beides unbekannte Namen in der Bundespolitik. Im Wahlkampf sollte sich daran nicht viel ändern. Frau Wissler wurde bekannter als Frau Henning-Wellsow. Die alten Zugpferde waren weg. Wofür die Partei genau stand, konnte nicht kommuniziert werden. Den Kampagnen von rechts nach, wollten die Linken die Nato, den Verfassungsschutz und die Demokratie abschaffen, Unternehmen enteignen, waren außenpolitisch inkompetent usw. Es gelang den Linken nicht, dieses Image loszuwerden. Internes Chaos unterstütze diese Sicht auf sie noch. So verlor man Wähler an alle Seiten.
Meiner, vielleicht subjektiven Analyse nach, denn es ist schwer das zu messen, waren die Linken in vielen Talkshows und Debatten vor der Wahl übergangen worden. Man lud sie nicht ein. Damit waren sie medial auf dem Abstellgleis. Ein zusätzliches Problem. Doch wenn man sie einmal einlud, vor allem Frau Wissler, dann waren sie inhaltlich nicht schlecht. Von fehlenden Sachwissen und Erfahrung konnte keine Rede sein. Frau Wissler hat einen sehr guten Job gemacht. Aber sie konnte nicht kommunizieren, dass sie einer geeinten Partei mit klaren inhaltlichen Themen, vor allem Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit vorstand. Es war nicht die Spitze der Linken, die den Verlust verursacht hatte, es war eine über ihren Kurs uneinige Partei, die das getan hatte.
Die AFD
Leider gibt es diese Partei auch noch und leider, noch ein viel größeres “leider”, sitzt diese Partei auch im Bundestag. Die Prozentzahl mag ich gar nicht schreiben, denn sie schockiert. Die Partei steht für eine Ideologie, die wir eigentlich als verfassungsfeindlich brandmarken. Dennoch müssen wir uns mit der Tatsache der Existenz dieser Partei auseinander setzen. Wähler*innen wählen sie, vor allem im südlichen Osten unseres Landes in Zahlen, die Angst machen.
Die AfD spricht Wähler*innen des rechten Randes an, auch wenn sie selbst sich als nicht rechtsradikal bezeichnet. Die Tendenzen sind hier aber schon sehr eindeutig. Damit spricht die AfD sogar einen zweistellige Prozentzahl an Wähler*innen an. Die Politik muss sich mit dieser Entwicklung in der Gesellschaft ernsthaft auseinandersetzen. Es ist eine gefährliche Entwicklung. Wir haben aus der Vergangenheit heraus eine Verantwortung. Der Nazistaat darf sich nicht wiederholen.
Die inhaltlichen Kernthemen der AfD sind Überfremdung und Flüchtlinge. Diese Themen werden in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach noch größere Thema werden. Viele Menschen in unserem Land empfinden das als Bedrohung für unsere Kultur und unseren Wohlstand. Wir kommen nicht umhin, das offen auszusprechen und müssen uns damit auseinandersetzen. Das ist aber nicht das Thema dieses Beitrags. Die AfD hat ein zweistelliges Ergebnis eingefahren und wurde für ihre Inhalte gewählt. Dieses trotz dessen man es nicht schaffte sich als eine geeinte und handlungsfähige Partei aufzustellen. Wer AfD wählt, der wurde in der Gesellschaft allein zurückgelassen und nicht mitgenommen, wer AfD wählt, der wählt Protest und wurde von der Gesellschaft anderweitig nicht abgeholt.
Fazit
Eine neue Zeit setzt ein. Die traditionellen Medien sind nicht mehr Alleinherrscher über die Informationen. Damit wird mehr Transparenz geschaffen und es stärkt die Demokratie. Bei allen Parteien ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen, aber man kann den Job Politiker nicht mehr so machen, wie es einst der Fall war. Das Volk will redliche ehrliche Abgeordnete, die das Wohl der Menschen im Blick haben und nicht das eigene. Und sie haben jetzt Mittel und Wege sich objektiver darüber zu informieren.
Wir sehen aber auch eine deutliche Spaltung zwischen Linken, einer sogenannten bürgerlichen Mitte und Rechten. Die einen stehen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit, die anderen für die Ellenbogengesellschaft und letztere für, die abgehängten unserer Gesellschaft, die niemand sonst abgeholt hat. Das sind sehr schwierige Herausforderungen für die Zukunft, denen wir uns als Gesellschaft stellen müssen.