Wir Menschen lieben den Wohlstand. Wohlstand ist, wenn wir uns viele Dinge leisten können. Das geht besonders gut, wenn die Dinge billig sind. Das hatte vor Jahren schon die Kette „Saturn“ bemerkt und die Kampagne „Geiz ist geil“ gestartet. Tatsächlich ist es nicht der Geiz, der Geil ist, sondern die Tatsache, dass man mit dem gesparten Geld andere Dinge kaufen kann. Mehr Dinge, mehr Wohlstand. Wenn „billig ist geil“ gilt, bedeutet das im Gegenzug, dass „teuer“ alles andere als geil ist. An diesem Punkt sind wir in der Welt gerade angekommen, denn die Preise steigen und der Wohlstand fällt. Das ist sicher der richtige Augenblick, um einmal die Geschichte von „billig ist geil“ zu erzählen. Der Leser mag es verzeihen, wenn ich sie mit etwas Ironie und Sarkasmus spicke.
Die Hegemonie der westlichen Welt
Es waren die Europäer, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf die Weltmeere ausgezogen sind, um ferne Länder zu entdecken. Genaugenommen war es das europäische Abendland, dass sich wirtschaftlich soweit entwickelt hatte, dass man sich diese kostspieligen Expeditionen ins Ungewisse leisten konnte. Man suchte den Seeweg nach Indien. Das tat man, weil man direkten Handel treiben wollte, um mehr Geld zu verdienen. Gefunden hat man Amerika. Man nahm es in Besitz. Das dort bereits Menschen lebten und das Land anderen gehörte, war den Entdeckern egal. Sie entdeckten also nicht nur, sondern sie eroberten.
Das Erobern machte vor allem deswegen großen Spaß, weil es recht einfach von statten ging. Die Europäer hatten das technische, das wirtschaftliche und das militärische Monopol. Die Einheimischen hatten dem nichts entgegen zu setzen. Dank dieser Monopole konnte man auch das kulturelle Monopol übernehmen. Aber es ging dabei nicht um Kultur, sondern es ging eigentlich nur um eine Sache: Unermesslich reich zu werden! Das wird man, in dem man Sachen billig kauft und woanders teuer verkauft. Noch besser als das ist es, Dinge gar nicht zu kaufen, sondern anderen einfach wegzunehmen. Die edlen Europäer taten letzteres, und ersteres nur, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.
Man beutete die eroberten Gebiete also aus, was das Zeug hielt. Dafür ließ man die Einheimischen schuften bis diese tot umfielen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Besonders die amerikanischen Ureinwohner, die für die harte Arbeit nicht gemacht waren, „starben wie die Fliegen“, wie man so schön sagt. Wenn sie nicht an der Arbeit starben, dann an den Krankheiten, die die Europäer eingeschleppt hatten. Ein spanischer Mönch, Bartholomäus de las Casas, sah das und wollte helfen. Er hatte die Idee, dass man afrikanische Sklaven nach Amerika importiert, da diese zäher sind und nicht so leicht sterben. Er dachte dabei an die armen amerikanischen Ureinwohner, die er als einer der wenigen seiner Zeit für richtige Menschen hielt, was er auch in Spanien, vor Kaiser Karl V., vertrat. Den Gouverneuren vor Ort war letztere Frage einerlei. Sie verstanden, dass man niemanden ausbeuten kann, der tot ist. Somit fanden sie die Idee afrikanische Sklaven zu importieren toll, machten ein Geschäft daraus, und beuteten so weiter aus. Einige der Ausbeuter behaupteten, dass sie an den Afrikanern eine Wohltat vollbrachten, aber es behaupten immer einige irgendetwas, um ihr Gewissen ruhig zu halten.
Bis zur Aufteilung der Welt
Sir Francis Bacon, der Englische Philosoph und Staatsmann, schrieb Mitte des 17. Jahrhunderts in seiner Schrift „Novum Organum“ fasziniert, dass „der Mensch nun aufgebrochen ist, sich die Natur systematisch Untertan zu machen“. Tatsächlich, sein wir ehrlich, war der abendländische Europäer, nicht der Mensch generell, aufgebrochen, um die restliche Welt für seinen Wohlstand auszubeuten. Und er wollte alles, was man irgendwie brauchen und zu Geld machen konnte, stehlen. Faszinierend mag das gewesen sein, edel in jedem Fall nicht. Dieses Spiel führte man über die Jahrhunderte so fort, denn es gab viel Land zu erobern und viele Möglichkeiten es auszubeuten. Eine kleine Insel Namens England nahm u.a. das viel größere indische Reich in Besitz, und ein wenig später erklärte der König eines noch kleineren Landes, Belgien, das gesamte Kongobecken zu seinem Privatbesitz. So könnten wir jetzt eine Weile weitermachen, aber ich glaube, dass der Ansatz schon klar geworden ist. Besonders interessant waren die Engländer. Edle Menschen, die die Wissenschaft sehr hochhielten. Deswegen besuchte ein gewisser Sir William Jones Ende des 18. Jahrhunderts Indien. Er war Philologe. Was das genau ist, ist egal. In jedem Fall schrieb er danach ein Buch. Darin stand: „Die Naturmenschen (er meinte damit die Inder), sind grundsätzlich zur Freiheit fähig, aber nicht zur Selbstbefreiung.“ Was er damit sagen wollte, verstand niemand so genau. Es war den Lesern, den englischen Eliten, auch egal. Sie verstanden, dass Menschen, die eigenständig nicht zur Freiheit fähig sind, befreit werden müssen. Das klang gut, viel besser als erobern. Fortan befreite man also, was das Zeug hielt, und lies die Idee trenden, wie man heute sagen würde.
Freiheit wurde also zum Trend. Es war keineswegs so, dass dieses erst mit der FDP und Christian Lindner im 21. Jahrhundert in verkannter Weise entdeckt wurde. Aber von dieser Polemik der Geschichte abgesehen, bekamen unsere Eroberer, ich meine Befreier, um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Problem: Alles, was zu erobern, also zu befreien, war, war unter den Eroberern, ich meine die edlen Befreier, verteilt. Der „Sale“ war vorbei, der Ausverkauf der Welt zu Ende. Selbst die unendlichen USA hatten die Frontier geschlossen, nirgendswo nichts mehr zu haben. Selbst in China war man inzwischen angekommen. Dank der hohen Kultur Chinas, die der europäischen bis ins 18. Jahrhundert überlegen war, hatte man sich dort lange unabhängig halten können. Erst die industrielle Revolution zwang China in die Knie. Dass die industrielle Revolution dabei nicht in China, und dort schon viel früher, stattgefunden hat, ist eine dieser rätselhaften Fragen der Geschichte, die aber nicht in diesen Artikel gehört.
Krieg um die Welt
Wir sind im Imperialismus angekommen. Die ganze Welt gehört den europäischen Großmächten und den USA, die in Amerika und dem Pazifik ihr eigenes imperialistisches Ding machen dürfen. Die Europäer konnten sie nicht daran hindern. Die drei oben genannten Monopole waren den Europäern dort verloren gegangen, was zwangsläufig auch den Verlust jeder Kontrolle und Ausbeutungsmöglichkeit bedeutete.
Das große Befreien war also vorbei. Man brauchte aber weiter mehr billige Sachen für mehr Wohlstand. Dafür musste man mehr Ausbeuten. Da blieb nur eines: Man musste anderen Imperialisten etwas wegnehmen. Das ist dann eine andere Form von Befreien, aber letztlich ist das egal, solange das Ziel erreicht wird. Zugleich, eigentlich ein Widerspruch, verarmten immer mehr Menschen in den europäischen Ländern, die so unendlich reich wurden, weil sie den Rest der Welt befreit hatten. Grund war das Problem mit dem Kapitalismus und der Umverteilung, was noch nie gut funktioniert hatte. Allerdings war das dann nicht die Geburtsstunde der FDP, wie man denken mag, sondern die vom Sozialismus und von Marx. Daneben führte mehr Wohlstand, den es sehr wohl auch für Ärmere gab, zu einem Bevölkerungswachstum. Diese Menschen brauchten Lebensraum. Die USA waren irgendwann voll und nahmen nicht mehr Menschen auf. Man brauchte andere Lösungen, die es nicht gab. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Lage spannte sich an und entlud sich in einem Krieg.
Warum habe ich das mit dem Krieg hier erwähnt? Weil er die imperialistischen Mächte schwächte. Ihre Monopole, das wirtschaftliche, technische und militärische Monopol, begannen zu schwinden. Folgerichtig machten sich mehr und mehr Länder unabhängig. Es ist richtig, dass es in Europa auch ein inzwischen verändertes öffentliches Bewusstsein gab, aber das war nicht der hauptsächliche Grund. Zwar war „Sklavenhaltung“ nicht mehr gesellschaftsfähig, jedoch Ausbeutung weiterhin. Man konnte gegen den Sklavenhandel und den Besitz von Sklaven sein, und dennoch änderte das nichts daran, dass man weiterhin Rassist war. Und noch weniger änderte es daran, dass man alles billig haben und deswegen den Rest der Welt ausbeuten wollte. Und das tat man nach besten Möglichkeiten weiterhin. Entsprechend hätte man auch alle Kolonien gerne weiter behalten, aber man hatte nicht mehr die Macht dafür. Ein zweiter, noch größerer Krieg beschleunigte die Schwächung der europäischen Mächte.
Kampf ums Öl
Die Weltkriege haben nicht nur das Ende der Hegemonie des abendländischen Europas eingeläutet. Sie waren auch Sinnbild für eine neue Zeit, in der derjenige mächtig ist, der über Öl verfügt. Man hatte mit Öl etwas Neues gefunden, was man ausbeuten konnte. Damit begann ein Kampf um den Nahen und mittleren Osten und Teile Afrikas. Wir schreiben jetzt das 20. Jahrhundert und man hatte sich fortentwickelt. Letzteres war, was die Moral anging, gelogen. Tatsächlich nahm man sich die Ölvorkommen, dort wo man sie fand, und wenn das Land schon jemanden gehörte, war das egal. De Facto eroberte, ich meine befreite, man weiter was das Zeug hielt, wenn es für den Wohlstand notwendig war. Juristen machten es irgendwie „legal“, was jetzt das neue „Befreien“ wurde. Natürlich hätte man Öl auch redlich, zu Marktpreisen, von den jeweils einheimischen Besitzern kaufen können, aber man wollte es billig haben. Letztlich die gleiche Geschichte wie vor 500 Jahren.
Aus dem Öl konnte man auch Plastik jeder Art produzieren. Eine billige Ressource, um daraus allesmögliche für quasi jeden Zweck herzustellen. Noch billiger ist diese Ressource, wenn, braucht man sie nicht mehr, man sie einfach wegwirft, zum Beispiel ins Meer, und nicht teuer entsorgen muss. Während wir so den Planeten, und vor allem die Weltmeere, mit nicht wiederabbaubaren Zeugs und Giften vollgemüllt haben, was gepflegt ignoriert wurde, erlangte die westliche Welt einen nie für möglich gehaltenen Wohlstand. Ein Wohlstand, den man, diesen einmal gekannt, nie wieder aufgeben wollte. Aber das war immer noch nicht genug. Wohlstand ist geil, aber noch mehr Wohlstand geiler. Folglich war die Frage, die die klugen kapitalistischen Köpfe sich stellen mussten, wie man alles noch billiger bekommt!
Im Wirtschaftswunderland
Den Kriegen folgte allzu bald die Zeit des Wirtschaftswunders. Das Wort „Wunder“ lassen wir einmal dahingestellt. Richtig ist, dass Teile der Welt sich wirtschaftlich sehr stark weiterentwickelten. Die Gründe dafür können hier nicht alle angesprochen werden, aber etwas davon sei erwähnt: Bereits vor den Kriegen hatte man eine altbekannte Sache für die Massen optimiert, und zwar „Kredite“. Kredite sind eine tolle Sache, denn man gibt damit Menschen das Geld, das sie brauchen, um zu kaufen, was man verkaufen will. Beschäftigte können so ihre Arbeit, die sie zukünftig leisten werden, bereits vorab ausgezahlt bekommen. Dass sie damit auch ein Stück weit in die Abhängigkeit des Wirtschaftssystems geraten, ist ein willkommener Nebeneffekt für die Kreditgeber. Konsumentenkredite und Baufinanzierungen trendeten also, wie wir das heute ausdrücken würden. Das Geld dafür musste irgendwo herkommen. Das löste man mit der passiven Geldschöpfung. Die Details lassen wir weg. Jedenfalls konnten sich durch die Kredite und Baufinanzierungen viele Menschen jetzt Dinge leisten, die sie sich vorher nicht leisten konnten. In diesem Sinne wurden die Dinge billig für sie. Das löste einen Wirtschaftsaufschwung aus.
Einige besonders kluge Köpfe transferierten die Idee mit den Krediten auf die Ebene von Staaten. Damit sich das besser anhört, diesen Ansatz kennen wir vom „Befreien der Menschen“, nannte man es Entwicklungshilfe. Und die Empfänger waren Entwicklungsländer, die man mit diesen Hilfen entwickeln wollte. Hörte sich gut an, aber der Teufel steckte im Detail. Die Kredite wurden Zweckgebunden vergeben. Die Empfänger waren verpflichtet damit bestimmte Dinge zu kaufen und zwar von den Unternehmen des jeweiligen Landes, welches die Kredite vergab. Somit bekam das Land indirekt das Geld, was es verliehen hatte, wieder zurück. Aber es war aber noch besser: Das Geld, was verliehen wurde, Steuergeld des Volkes, kam zurück als Einnahme privater Unternehmen, wo es zu großen Teilen als Gewinn in die Taschen der Eliten floss. Eine Art „Perpetuum Mobile“ des Geldverdienens. Und eine moderne Form der Befreiung, also der Ausbeutung, der Entwicklungsländer. Natürlich durften diese Entwicklungsländer den Preis dessen, was sie mit dem Geld kaufen mussten, nicht selbst verhandeln. Die Höhe der Zinsen wurden auch von den Geldgebern festgelegt. Die jetzt produzierten Güter oder geförderten Rohstoffe, auch das war natürlich vertraglich festgelegt, mussten billig an die Kreditgeber verkauft werden. Mit dem wenigen Geld, das den Entwicklungsländern dabei blieb, kauften diese, auf Anraten der Kreditgeber hin, dann bei ihnen Waffen, um den sozialen Frieden bei sich zu sichern. Instabile und wirtschaftlich abhängige Staaten, die so geschaffen wurden, sind perfekt, um sie auszubeuten, also von der Last ihres Vermögen zu befreien.
Meanwhile in Deutschland produzierte man auf Hochtouren, weil alles so billig und erschwingbar war. Blöderweise gingen uns dabei die Arbeitskräfte aus. Auch das gehört zur Geschichte des Wirtschaftswunders. Man importierte daher billige Menschen aus dem Süden Europas und, als es dort nicht genug Menschen gab, die so verzweifelt waren, dass sie ihre Heimat verlassen wollten, aus der Türkei. Ob diese Menschen sich hier wohlfühlen, wie man mit ihrer Kultur umgeht und sie integriert, ob sie dauerhaft bleiben, dass sie auch Kinder bekommen usw. wurde dabei als Fragestellung übersehen. Böse Zungen behaupten, es wurde nicht übersehen, aber es interessierte nicht, weil es nur um billige Arbeitskräfte ging und alles andere egal war. Die Definition von „egal“ ist immer auch die, dass etwas, wenn es einem egal ist, dann später zu einem Problem wird und anderen auf die Füße fällt. Aber so lange es nicht die eigenen Füße sind und man dabei reicht wird, muss man sich nicht um die zukünftigen Sorgen anderer kümmern. Wir kennen das aus dem Klimawandel, der damals schlichtweg gar kein Thema war, aber heute diese Definition von „egal“ bestätigt.
Zurück auf dem Boden der Tatsachen
In den 1960er Jahren dachte man in der Tat, dass man jetzt das Perpetuum Mobile erfunden hat, die ganze Welt unermesslich reicht wird und das Dolce Vita überall kein Ende mehr nimmt. Spätestens in den 1970er Jahren wurde man wieder auf dem Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ernüchterung nach dem Rausch ist immer unschön. Die bitterste Pille nannte sich dabei „Ölkrise“. Tatsächlich gab es in dieser Krise nie eine Knappheit an Öl, aber es wurde, quasi über Nacht, unermesslich teuer. Teuer ist das Gegenteil von billig und das Schlimmste, was man sich so vorstellen kann. Wie konnte so etwas passieren? Um es zu erklären, muss man in die USA gucken. Auch dort lief die Wirtschaft, aber nicht so gut wie in Europa. Der Dollar, die Währung der USA, bildete den Unterschied aber nicht ab. Es lag daran, dass der Dollar mit Gold gedeckt war. Jeder Besitzer von Dollar hatte das Recht sich diese in Gold eintauschen zu lassen. Das ist die Geschichte mit dem legendären Fort Knox. Allerdings stieg auch in den USA die Geldmenge stetig an, hingegen wurde das Gold im Fort Knox nicht mehr. Das bemerkten alle, aber nur die Franzosen hatten den „Arsch in der Hose“, welcher unglücklicherweise auf vielen Dollars saß, und verlangten den Umtausch in Gold. Sie verlangten das wissend, dass die USA gar nicht so viel Gold hatten und es ihnen sowieso nie geben würden. Dennoch war es ein Problem für die USA, denn wenn sie kein Gold liefern würden und ihre Währung so in den freien Handel geben müssten, schmiert der Dollar gegenüber allen anderen Währungen massiv ab. Einfach formuliert: Dann wird alles, was jetzt für die USA billig ist, ganz teuer. Wie wir wissen, ist „teuer“ sehr schlimm. Die USA mussten sich daher etwas einfallen lassen. Etwas, wo alle anderen Länder Dollars kaufen, damit der Kurs nicht abstürzt, wenn man die Währung in den freien Handel gibt. Und hierfür war die Ölkrise perfekt. Es war international festgelegt, dass Öl nur in Dollar gehandelt werden durfte. Das war so passiert, die USA hatten rein gar nichts damit zu tun. Wer es kaufen wollte, und alle mussten es, der musste dafür zuerst Dollars auf den Finanzmärkten kaufen. Da der Ölpreis auf einmal auf das dreifache anstieg, mussten alle anderen Länder jetzt dreimal so viele Dollars wie bisher kaufen. Das stützte den Kurs des jetzt freigegeben US-Dollar und es blieb für die USA alles gehabt billig. Das Ganze auf Kosten der restlichen Welt, wo alles teurer wurde. Aber im Kapitalismus gibt es nun mal keine Freundschaft. Eine solche Ölkrise, zu genau diesem Zeitpunkt, war ein wirklich glücklicher Zufall der Geschichte für die USA, der sicher nicht von Henry Kissinger arrangiert worden war. Manchmal hat man einfach unverschämtes Glück im Leben.
Nachdem der Schock mit der Ölkrise überwunden war, fingen die klugen Köpfe wieder an über die Frage nachzudenken, wie man jetzt mehr Wohlstand schafft. Es fiel ihnen die Staatsverschuldung ein. Das funktionierte so: Menschen, vorwiegend die sehr reichen Menschen, geben ihr Geld an den Staat, der Ihnen dafür Zinsen zahlt und ihnen garantiert, dass sie das Geld auch jederzeit zurückbekommen. Der Staat investiert das Geld, womit gemeint ist, dass er es ausgibt. Das kurbelt den Konsum an, die Wirtschaft läuft und es gibt mehr billige Dinge für alle. Wäre es nur so einfach und würden sich die Klugen Köpfe doch nie irren. Es hat nicht wirklich funktioniert, was wir hier einmal ohne Details so stehen lassen. Einzig funktioniert hat daran, dass viele Menschen noch reicher wurden, andere dagegen noch ärmer. Mit dieser beginnenden Spaltung der Gesellschaft schlitterte man in unsere jetzige Zeit.
Billig ist geil!
Die klugen Köpfe merkten also, dass das Spiel mit der Geldmenge Grenzen hatte. Erhöhte man diese zu stark, dann gab es Inflation. Inflation ist das Gegenteil von „billig“ und daher keine gute Idee. Was sollte man also jetzt machen, um weiter den Wohlstand zu fördern? Man brauchte die Dinge billig und man brauchte neue Märkte, auf denen man etwas verkaufen konnte. Nur wo hernehmen? Wer suchet der findet, wie man so schön sagt. Die klugen Köpfe fanden ihr neues „El Dorado“ in China und Südost-Asien. Es gab dort gleich beides. Neue Märkte, auf denen man seine Dinge verkaufen konnte, und gut ausgebildete Arbeitskräfte, die einen fast alle Produkte und Leistungen viel billiger boten. Man schloss daher die eigenen Fabriken und kaufte jetzt in Fernost günstig ein. Zum Teil baute man seine Fabriken auch einfach dort, um billige Dinge zu produzieren. Dass das ganze überhaupt funktionierte, lag daran, dass man inzwischen alle Produkte billig und schnell durch die ganze Welt transportieren konnte. Es war eine neue Form der Befreiung der Völker dieser Länder, indem man ihnen Arbeit gab. Das diese für weniger als ihr tägliches Auskommen schufteten, konnte man dabei nicht wissen, weil man nicht vor Ort war. Als es jemand bemerkte und darüber informierte, war es leider schon zu spät. Man konnte nichts mehr dagegen tun. Deswegen beließ man es dabei. Für den Wohlstand und für billige Dinge musste man Abstriche in der Moral machen. So ist halt das harte Leben der westlichen Welt. Da musste man durch.
Was man ebenso sah, aber nicht sehen wollte, war die jetzt geschaffene Abhängigkeit von anderen Ländern. Tatsächlich bestand diese schon immer, doch zuvor in einer anderen Form. Man war Abhängig von den billigen Importen an vorwiegend Rohstoffen, aber diese Abhängigkeit stellte kein Problem dar, weil man das wirtschaftliche militärische und technologische Monopol hatte. Man konnte diese Länder kontrollieren und tat es auch. Man tat es, ohne dass man ein Monopol abgab und vor allem, ohne dass man sein technologisches Knowhow transferierte. Das änderte sich jetzt. Man verkaufte alles nach China und Südost-Asien, auch seine Technologie. Der Grund lag in der Notwendigkeit des Ausgleichs der Zahlungsbilanz, was wir hier mal nicht näher betrachten. Gerade China, zur Überraschung der westlichen Welt, hielt sich dabei nicht an vereinbarte Regeln. Sie wollten selbst reich werden und die westliche Welt war Ihnen egal. Eine Ironie der Geschichte, denn sie taten nur, was die westliche Welt hunderte Jahre lang selbst getan hatte. China spielt das Spiel, seien wir einmal ehrlich, nicht nur nach seinen eigenen Regeln, sondern vor allem auch nach den kapitalistischen Regeln, die sie von der westlichen Welt gelernt haben. Verblendet von „billig ist geil“, sah die westliche Welt das Kind erst im Brunnen liegen, als es zu spät war. Das wirtschaftliche und militärische Monopol liegt inzwischen bei China. Das technologische teilt man sich noch, verliert hier aber fortwährend Anteile. Folgerichtig kann man China und Südostasien nicht kontrollieren. Bestenfalls erreicht man den Status eines Partners auf Augenhöhe, aber schon bald ist man unter der Kontrolle der anderen.
Dieses Szenario der Abhängigkeit von vorrangig China, hat man noch damit unterstützt, dass man seine eigenen lokalen Werte, insbesondere seine Infrastruktur, an Investoren aus Fernost verkauft hat. Alles dafür, dass es billig ist. Und das war der Köder, denn man von dort ausgeworfen hat. „Alles billig bekommen“ hat unsere Politik getriggert. Dafür sind sie jeden Deal eingegangen und jede Vorsicht war egal. Wenn alles billig ist, dann wird man wiedergewählt. Das muss so lange so bleiben bis man in Rente geht. Was dann anderen vor die Füße fällt, ist halt egal. Wir leben hier und jetzt, nicht in der Zukunft.
Abschließend, vor einem Fazit, müssen wir noch eine letzte Sache, auf welche diese klugen kapitalistischen Köpfe gekommen sind, ansprechen: Man verschlankte den Staat. Man verkaufte ihn nicht nur an ausländische Investoren, sondern man verkleinerte ihn auch. Verschlanken heißt also, dass man den Staat kaputt sparte. Er wurde so klein gemacht, dass er seine hoheitlichen Aufgaben nicht mehr mit einer zeitgemäßen Administration, sowohl in technischer wie in personeller Ausstattung, wahrnehmen konnte. Auch dieses Phänomen gehört zur Geschichte des „billig ist geil“. Man argumentierte, dass private Anbieter grundsätzlich alles kostengünstiger leisten können. Das ist eigentlich falsch. Es gelten für alle die gleichen Marktregeln und es funktioniert nur, wenn man die Beschäftigten schlechter bezahlt. Dass letzteres das Ziel war, wussten alle, auch wenn es keiner offen sagte. Billiger um jeden Preis, damit andere reicher werden konnten. Sparen an jeder Ecke, auch bei Bildung, Bundeswehr etc., damit die Gelder für die freie Wirtschaft investiert werden konnten.
Doch ganz so war es nicht nur. Folgt man diesem Gedanken, hätte man Gebäude, Straßen und jede Infrastruktur saniert. Das wären gute Aufträge für die private Wirtschaft gewesen. Man tat es aber nicht, weil das Geld dafür nicht vorhanden war. Dieses Phänomen begann bereits Anfang der 1980er Jahre. Der Staat sparte zunächst, was sinnvoll war. Aber irgendwann sparte man so viel, dass es nicht mehr sinnvoll war. Dieses Pendel schlug um die Mitte der 1990er Jahre um. Seitdem unterfinanzieren wir den Staat. Grund hierfür ist vor allem auch die Staatsverschuldung. Wenn man Konsumenten Kredite gibt, erwirtschaften diese das Geld für die Rückzahlung mit ihrer Arbeitskraft. Wenn man Unternehmen Kredite gibt, dann erwirtschaften diese damit Geld, um die Kredite nebst Zinsen bedienen zu können. Gibt man hingegen dem Staat Kredite, erwirtschaftet dieser damit nichts. Er gibt das als Kredit erhaltene Geld nur aus. Es ist auch nicht die Aufgabe des Staates etwas zu erwirtschaften, sondern er stellt seine Leistungen bestenfalls gegen eine Aufwandsentschädigung zur Verfügung. Finanzieren tut das das Volk mit Steuern und Abgaben. Brennt ein Haus, kommt die Feuerwehr. Der Staat bezahlt das. Wird eine Bank überfallen, kommt die Polizei. Der Staat bezahlt das. Dabei bedeutet „der Staat bezahlt das“ genaugenommen „das Volk bezahlt das“. Von all dem, was das Volk dem Staat abgibt, so funktioniert Staatsverschuldung, werden dann immer mehr Zinsen gezahlt. Das ist Geld, das der Staat nicht mehr ausgeben kann. Anders gesagt: Das Volk zahlt den Reichen Zinsen, damit sie noch reicher werden, und bekommen deswegen weniger Leistungen vom Staat, der dadurch ärmer ist. Der Staat ist unsere Gemeinschaft, die uns nicht mehr mit ausreichenden sozialen Diensten versorgen kann. Hier beginnt der Anfang vom Ende des Wohlstandes. Das System hat seinen Zenit überschritten. Eine wesentliche Ursache ist dabei die Konzentration nahezu sämtlichen Kapitals bei einigen wenigen reichen Eliten. Es spiegelt die Dekadenz der Gesellschaft und leitet ihren Abstieg ein.
Fazit
Das Fazit ist einfach: Die Hegemonie der westlichen Welt ist vorbei. Das technologische und wirtschaftliche Monopol sind verloren. Dass die USA noch das militärische Monopol haben, hilft der Sache nicht. Auch werden die USA keinesfalls ihren Wohlstand, wenn sie einen halten können, mit den Europäern teilen. Andere Spieler haben das Spiel um die billigen Dinge und den Wohlstand übernommen. Die Kontrolle liegt nicht mehr bei uns. Wir spielen bestenfalls nur noch mit, zum Teil sind wird schon nur noch Statisten auf dem Feld. Damit ist der Wohlstand vielleicht nicht vorbei. Es wird uns weiterhin besser als anderen in der Welt gehen. Aber die Steigerung des Wohlstands, immer mehr Sachen immer billiger zu bekommen, ist definitiv für uns vorbei. Einsehen will das noch keiner, aber wir werden es müssen. „Der eingebildete Kranke“, ein Theaterstück von Moliere, ist wirklich krank. Moliere, der selbst die Titelrolle spielte, starb nach der vierten Aufführung. Hoffen wir, dass es für uns einige Aufführungen mehr gibt.