Der Begriff Lobbyismus tauch erstmals in den 1870er Jahren auf Papier auf. Ulysses Grant, der damalige amerikanische Präsident, hat den Begriff quasi erfunden. Er beschrieb damit Treffen von Vertretern der Wirtschaft mit Politikern, die dem Informationsaustausch dienten. Diese Treffen fanden in der Lobby eines dem „Weißen Haus“ naheliegenden Hotels statt. Und diese Art von Treffen schienen dem damaligen Präsidenten Grant eher auf die Nerven zu gehen. Ein Eindruck, den man bei unseren heutigen Politiker*innen und Lobbyismus eher nicht gewinnt.
Lobbyismus im Fokus der Öffentlichkeit ist ungewollt. Der Lobbyismus findet gerne hinter verschlossenen Türen statt und liebt die Intransparenz. Die im Zusammenhang mit Masken-Geschäften in der Corona-Krise publik gewordenen Geldzahlungen an Politiker*innen haben den Lobbyismus einmal mehr wieder ins Licht gerückt. Mehr ins Licht als es vielen Akteuren in diesem Geschäft lieb war. Betroffen sind dabei vor allem die Unionsparteien CDU und CSU. In großer Hektik hat man ein Lobbyismus-Gesetz verabschiedet, welches man zuvor über Jahrzehnte blockiert hatte. Allerdings, bei allem Respekt, ist dieses Gesetz nicht der große Wurf, sondern mehr Augenwäscherei als wirkliche Transparenz.
Das Volk als Souverän der Politik
Die Idee der Demokratie ist einfach. Das Volk ist der Souverän. Als Auftraggeber*in steht dem Volk damit auch eine angemessene Transparenz, von den Auftragnehmer*innen ehrliche Rechenschaft zu bekommen, zu. Spätestens hier fängt die Demokratie an schwierig zu werden und hat über die letzten 200 Jahre wenig dazugelernt. Wenn die Politik überhaupt dazu gelernt hat, dann vor allem Lobbyismus so zu verpacken, dass er legal und intransparent daher kommt.
Als Auftraggeber*in der Politiker*innen, die diese in die Parlamente schickt, hat das Volk leider sehr verschiedene Vorstellungen an seine Abgeordneten. Dieses drückt sich in der Parteienvielfalt und den politischen Lagern aus. Wer eine Unionspolitiker*in wählt, der sieht im „Wohl des Volkes“ sicher andere Ziele als jemand, der „Die Linke“ wählt. Ein einheitliches Wohl des Volkes gibt es nicht. Wenn Politiker*innen auf das Wohl des Volkes verpflichtet sind, dann heißt das zuerst einmal auf das Wohl der eigenen Wähler*innen verpflichtet zu sein. Dieses sollte sich dadurch widerspiegeln, dass das Wahlprogramm, mit welchem man um die Gunst der Wähler geworben hat, möglichst gut umgesetzt wird. Leider findet auch das seine Grenzen dort, wo man in Koalitionen Kompromisse machen muss. Politik ist ein schwieriges Geschäft, in dem, nach viel Euphorie, am Ende meistens nur wenig umgesetztes Ergebnis steht.
Ein besonderes Feld in der Politik sind die Politiker*innen selbst, die letztendlich auch die Gesetze machen, die sie selbst betreffen. Nicht das Volk entscheidet, wann eine Politiker*in Unrecht tut und wann nicht. Die Politiker*innen entscheiden das selbst, indem sie bestimmen, was sie dürfen und was nicht. Hierbei war es sicher nicht die Idee des Volkes, Politiker*innen dafür in ein Parlament zu schicken, dass diese sich dort eine „goldene Nase“ verdienen und nebenbei noch diverser anderer Tätigkeiten nachgehen, als nur das Volk zu vertreten.
Realismus versus Verschwörungstheorien
Verschwörungstheorien führen zu nichts. Einfach in die Welt zu schreien, dass alle Politiker*innen korrupt sind und nichts ohne Schmiergeld funktioniert, ist dummer Populismus und falsch. Deutschland, um es einmal klar zu sagen, ist keine Bananenrepublik. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International liegt Deutschland auf einem hervorragendem neunten Platz. Es kann daher nicht so schlecht um uns bestellt sein. Es heißt aber auch, dass es trotzdem noch Luft nach oben gibt. Die gibt es immer, und ein gutes Ergebnis sollte niemanden hindern noch besser zu werden.
Der entscheidende Punkt ist nicht der, ob Politiker*innen neben ihrer parlamentarischen Arbeit reich werden, sondern ob sie ihre Arbeit unabhängig tätigen und keine Entscheidung aus Gründen eigener Vorteile treffen. Dabei ist es natürlich anrüchig, wenn Politiker*innen für Maskengeschäfte sechsstellige Summen kassieren. Ob so ein Geschäft allerdings illegal und als Korruption zu werten ist, steht aber auf einem ganz anderem Blatt. Wirft man den Blick so auf den Lobbyismus, dann geht es nicht nur um Recht und Unrecht, sondern auch um Moral. Und wie heißt es so schön: Die Moral hört beim Geld auf!
In der Praxis müssen wir daher ganz genau hingucken, wer sich mit wem und zu welchem Zweck trifft. Leider gibt es hierbei nicht genügen Transparenz. Das ist das Problem, welches auch durch das neue Lobbyismus-Gesetz nicht wesentlich verbessert wird. Der Souverän muss seine Politiker*innen endlich zwingen, dass wirkliche Transparenz gesetzlich verankert wird. Es geht nicht darum den Lobbyismus abzuschaffen. Politiker*innen müssen sich mit allen Vertretern aller Interessengruppen und gesellschaftlichen Akteure treffen. Sie müssen deren Sichtweisen hören und kennen, um am Ende verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Aber das Volk muss wissen dürfen, wie oft sich mit wem getroffen wurde und wer welche Zahlungen wohin geleistet hat.
System des Lobbyismus
Der sichtbare Teil des Lobbyismus ist sehr simpel. Wirtschaftsverbände, große Konzerne und Interessenvertretungen haben ihre Büros direkt in den Zentren der politischen Entscheidung. Meisten in der Nähe der Parlamente, so dass man dorthin zu Fuß gehen kann. Davon macht man auch regen Gebrauch und geht wortwörtlich bei den Abgeordneten ein und aus. Diese Tatsache belegt aber keine Einflussnahme auf die Politik. Fraglich ist diese Praxis dennoch. Man schickt keine teuren Interessenvertreter, nichts andere sind Lobbyist*innen, in die teuersten Büros, um nur Kosten und keinen Erlös zu haben. Hinter diesen Personen steht die Wirtschaft. Die Wirtschaft gibt Geld aus, um Geld zu verdienen. Für nichts und wieder nichts gibt man kein Geld aus. Diese simple Tatsache, der sich keiner verwehren kann, gibt der Sache ihr Geschmäckle.
Das Geschmäckle, wenn es dieses dann gibt, hat mehrere Geschmacksrichtungen. Zum einen die Herstellung für sich günstiger politischer Rahmenbedingungen. Zum anderen die Vergabe lukrativer Aufträge zu guten Konditionen an Unternehmen. Ein drittes Geschmäckle ist die Tatsache, dass verbraucherschutz-, Tierschutz-, Umweltschutz- und dergleichen Organisationen nicht die Mittel für die Büros und Lobbyist*innen in den Machtzentren haben. Folglich gibt es sie da nicht. Sie gehen nicht bei den Politikern ein und aus. Dieses Geschmäckle wird zu einem sehr bitteren Geschmack, wenn diese Interessenvertreter nicht einmal Termine über Jahre hinaus bekommen. In der Praxis ist so etwas leider der Fall und die verschiedenen Gruppen werden sehr unterschiedlich gehört.
Die Beratungsfirmen
Die Lobbyist*innen sind nur die eine Seite dieses Problems. Auf der anderen Seite stehen die Politiker*innen. Auch hier gibt es etwas zu hinterfragen. Dazu gehören zuerst die Regeln, nach denen man Transparenz leisten muss. Wenn zum Beispiel der Gesundheitsminister Jenas Span, wie es der Tagesspiegel berichtete, zu einem privaten Abendessen eingeladen wird und am Ende genau EUR 9.999,00 Spende an seinen Wahlkreis bekommt, dann ist hier wieder ein Geschmäckle. Ab genau einem Euro mehr müssten die Spende offengelegt und die Spender genannt werden. Der Gesundheitsminister könnte natürlich, aus moralischer Verantwortung heraus, die Spender trotzdem nennen und Transparenz schaffen. Das hat er aber nicht für notwendig gehalten und pocht auf das Gesetz. Und so wird das Geschmäckle recht bitter.
Recht bitter sind aber vor allem die Beraterfirmen im Hintergrund, die Politiker*innen so betreiben. Gesetze regeln, was man wann offenlegen muss. Diese Offenlegungen, gleich ob Spenden für eine Partei oder Nebeneinkünfte der Politiker*innen selbst, müssten strenger regelgelt sein. Was man hingegen gar nicht offenlegen muss, sind Zahlungen, die an Firmen fließen, an denen man maßgeblich beteiligt und Nießnutzer der Zahlungen ist. So kann man Beratungsfirmen, ggf. sogar über Treuhänder besitzen, um Zahlungen nicht direkt zu empfangen und offenlegen zu müssen. Leider wird dieses genau so in der Praxis praktiziert. Wir sehen das am Beispiel Nüsslein, der seine Firma noch dazu in der Karibik registriert hatte.
Funktionsweise der Beratungsfirmen
Es gibt zwei Arte von Beratung. Das erste ist die, die man sich gewöhnlich unter einer Beratungsfirma vorstellt, nämlich die Fachkundeberatung. Man bekommt von einem Spezialisten das Knowhow, welches man selbst nicht besitzt. Wenn wir uns jetzt einmal Gauweiler angucken, der laut u.a. n-tv von dem Milliardär Fink 11 Millionen bekam, dann wird es objektiv schwierig dieses mit Fachkundeberatung zu begründen. Ich will die Kompetenzen von Herrn Gauweiler nicht bezweifeln, aber niemand ist so gut, dass er so viel mehr weiß als andere, um solche Honorare stellen zu können. Es muss also noch um etwas anderes gehen, wofür man Honorare erhält.
Das andere ist eine Art psychologische Beratung. Die Berater*innen haben kein Fachwissen, aber sind ein guter Zuhörer. Sie hören sich die Ängste, Befürchtungen und Wünsche der Klient*innen an. Damit kommen die Klient*innen immer und immer wieder zu ihren Berater*innen. Am Ende verschwinden ihre Ängste dann auf wundersame Weise, denn die Befürchtungen, die man einmal hatte, treten nicht ein, und die Wünsche erfüllen sich einfach von selbst. Für so eine gute Beratung, die einen alle Lasten von der Seele nimmt, ist man natürlich bereits ein gutes Honorar zu zahlen.
Also, um es direkt gerade heraus zu sagen: Es werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch Honorare oder Provisionen dafür an diese Beraterfirmen gezahlt, dass bestimmte Rahmenbedingungen für die Klient*innen günstig eintreten oder man den Zuschlag für bestimmte Geschäfte bekommt. Anders kann man sich einige Honorare und Verkettungen, bei bestem willen und Respekt den Beteiligten gegenüber, nicht erklären. Da es sich um die Zahlung von Geld an eine Firma handelt, ist es keine offenzulegende Nebentätigkeit, egal wie hoch die Summen sind. Freiwillig könnten natürlich auch diese Geschäfte offengelegt werden, aber der Gedanke scheint noch niemanden gekommen zu sein.
Lobbyismus zwischen anrüchig und strafbar
Nun ist nicht alles, was nach „Vetternwirtschaft“ klingt, auch automatisch strafbar oder gar anrüchig. Wir müssen uns klarmachen, dass der Austausch mit Lobbyisten und Interessenvertretern für eine funktionierende Politik wichtig ist. Politik geht nur in einem angemessenen miteinander. Ferner gehören auch die Interessen der Wirtschaft zu den Interessen des Souveräns, die in der politischen Entscheidungsfindung einbezogen werden müssen. Wir brauchen die Wirtschaft und die wiederum das Volk und die Politik. Es sind auch nicht die Lobbyist*innen, die am Ende entscheiden, was Gesetz wird und wer welchen Staatsauftrag bekommt, sondern es sind die Politiker*innen. Ob letztere das unabhängig tun oder am Ende ihre Moral verlieren, wird nicht von den Lobbyist*innen entschieden.
Anrüchig wird es, wenn es deutliche Zeichen dafür gibt, dass Entscheidungen nicht auf einer objektiven Informationserhebung getroffen werden. Für mich ist anrüchig, dass manche Gesetzestexte aus den Federn von Lobbyisten kommen. Und dass Verbraucherverbände, wissenschaftliche und ähnliche Organisation in der Politik ungleich weniger gehört werden, als die Wirtschaft. Ich halte das für falsch, gleich wer an der Macht ist. Andererseits steht die Unionspartei genau hierfür und es entspricht auch ihrem Wahlprogram. Von daher dürfte es für CDU-Wähler*innen weniger oder gar nicht anrüchig sein, weil sie genau deswegen die Unionsparteien gewählt haben. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass Moral etwas relatives ist und keinesfalls von jedem gleich bewertet wird.
Was anrüchig und nicht moralisch ist, ist eine Philosophie. Der Philosophie nach werden auch viele Menschen nichts verwerfliches finden, wenn letztlich für die aus ihren Augen richtige Sache hinter den Kulissen ein paar Prämien fließen. Dieser Tatsache muss man sich leider so ergeben, auch wenn man selbst eine ganz andere Philosophie hat. Welche objektiven Standards hingegen gelten, wonach legal von illegal unterschieden wird, entscheidet die Politik, die gerade an der Macht ist, selbst.
Strafbarer Lobbyismus
Auch für Politiker*innen gelten Grenzen. Diese Grenzen finden sich in den entsprechenden Gesetzen. Politiker*innen dürfen keine Steuern hinterziehen, kein Geld waschen, und keine Vorteilsname im Amt nehmen oder gewähren. Vom Prinzip her täte diese Rechtsgrundlage ausreichen, denn damit wäre alles abgedeckt. Aber so einfach ist es leider nicht. Man kann das eigentlich illegale legal machen, wenn man es so organisiert, dass widerrechtliche Zusammenhänge nicht zu beweisen sind. Oder man belässt es in der Illegalität, aber verheimlicht das ganze, was sehr einfach möglich ist, da die Bestimmungen für Transparenz in der Politik sehr viele Schlupflöcher bieten. Wie bewusst diese Schlupflöcher so gestaltet wurden oder ob sie ein Versehen sind, sei der Phantasie eines jeden einzelnen überlassen.
Wenn wir Herrn Nüßlein angucken, dann handelt es sich hier ganz klar um einen strafbaren Fall. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch. Er hat Geld über ein Geldwäschesystem erhalten, dass über Lichtenstein an eine Off-Shore Firma in der Karibik floss. Er hat es nicht bei der Steuer angezeigt, es gab keine eindeutigen Verträge und alles ist schwammig. Das unterscheidet den Fall des Herrn Nüßlein, in den auch Herr Sauter tief verstrickt zu sein scheint, von dem des Herrn Löbel. Auch Herr Löbel trat zurück und aus der CDU aus. Er hat aber ein rechtlich korrektes, wenn auch anrüchiges, Geschäft gemacht. Hier ist also durchaus zu differenzieren. Gleiches gilt auch für den Gesundheitsminister und seine EUR 9.999,00 Spende für seinen Wahlkreis. Es ist anrüchig, hat ein derbes Geschmäckle, aber es ist absolut legal. Es würde vielleicht illegal oder ein Skandal werden, wenn wir wüssten, wer die Spender waren. Aber es ist legal das dem Souverän zu verheimlichen.
Fazit
Wir brauchen nicht mehr Strafgesetze. Was wir brauchen ist mehr Transparenzpflicht. Der Souverän muss seine Kontrollmöglichkeit über die Parlamentarier*innen zurückgewinnen. Das geht nur, indem wir die Informationen bekommen, die wir brauchen, um die Redlichkeit der politischen Entscheidungsfindung überprüfen zu können. Transparenz ist eine Grundidee der Demokratie und eine ihrer Säulen. Der Souverän muss ein einklagbares Recht bekommen, erfahren zu dürfen, was hinter geschlossenen Türen passiert, wer an welchen Beratungsfirmen beteiligt ist, welche Geschäfte darüber abgewickelt werden und wer wem wie viel spendet. Das muss für jeden Betrag gelten, auch für jede Berufsgruppe innerhalb der Parlamentarier*innen und ohne Schlupflöcher versehen sein.
Wenn es denn so ist, wie die Unionsparteien, derzeit unsere maßgebliche Regierungspartei, es sagen, und man dort „nicht zum Gelde neigt“, ist bei diesen eigentlich auch nichts zu befürchten. Da also so gesehen nichts zu befürchten ist, hat man hier dennoch Angst ein striktes und klares Transparenzrecht für Politiker*innen umzusetzen. Es wird von Unionsseite her blockiert. Das gibt Anlass zu glauben, dass es bei diesen Parteien vielleicht doch etwas zu befürchten gibt. Hier haben wir jedenfalls noch viel Luft nach oben und vielleicht bringt der Herbst 2021 neue politische Mehrheiten, die mehr Transparenz einführen.
Eines ist jedenfalls klar: Bürgerliche Freiheit definiert sich nicht als das Recht, im Geheimen und frei von jeder Rechenschaftspflicht durch sein Mandat, mit vielen offenen Fragen, die niemand beantworten muss, reich zu werden.