Nicht nur in Hinblick auf das Klima stehen wir am Wendepunkt der Geschichte. Auch in der Ordnung der Weltpolitik steht ein neues Zeitalter an. Die Hegemonie der westlichen Welt, so wie wir sie kennen, ist ein Auslaufmodell. Der Zenit wurde überschritten und der Zerfall ist unverkennbar, auch wenn er wenig thematisiert wird.
Ein Rückblick in die Geschichte
Das Europa des Spätmittealters, das Morgenland, brach in die Neuzeit auf. Man tat das, in dem man in winzigen Schiffen, geradezu in Nussschalen, den Atlantik erkundete. Zuerst an der Küste Afrikas gen Süden und dann über den Ozean in Richtung Westen und der neuen Welt. Dabei waren die Europäer nicht die ersten, die es aus der Begrenzung ihres Herrschaftsgebiets hinaus trieb. Die Chinesen waren fast 100 Jahre früher in ähnlicher Mission unterwegs. Sie bauten gigantische Schatzschiffe und fuhren damit bis an die Ostküste Afrikas. Die Chinesen priesen ihren Kaiser als Herrscher aller Zivilisation, stellten die besuchten Völker unter den Schutz des Kaisers und tauschten Tributgeschenke aus. Ihr Konzept ar nicht die Eroberung. Aufgrund verschiedener Vorfälle zog China sich jedoch wieder auf sich selbst zurück und stellte die Hochseeschifffahrt ein.
Ganz anders war es in Europa. Europa fuhr aus in die Welt, um zu erobern. Ihr Konzept war zu bleiben, zu unterdrücken und auszubeuten. Sie kamen um zu bleiben. Dieses Konzept war natürlich zuerst einmal nicht mehr als reiner Wunsch. Aber der Wunsch erfüllte sich. Er konnte sich deshalb erfüllen, weil die Europäer die wichtigen Monopole besaßen. Sie hatten das technische Monopol, das militärische Monopol und das wirtschaftliche Monopol. Sie waren damit den Völkern, auf die sie trafen, schlichtweg überlegen. Diese Überlegenheit nutzten sie aus und etablierten dazu auch noch ein kulturelles Monopol. Alles rein deswegen, weil sie die bessere Technik hatten, die besseren Waffen und sich all das leisten konnten.
Imperialismus
Die Europäer waren nicht zimperlich mit den Menschen anderer Welten. Fortschrittliche Gedanken gab es sehr wohl. Der Mönch Bartholomäus de las Casas verteidigte die Recht der Ureinwohner Südamerikas vor Kaiser Karl V. und dessen Gelehrten. Er gewann und erwirkte deren Status als Menschen, denen Schutzrechte gebühren. In der Praxis bewirkte das aber nichts. Vor Ort interessierten Schutzrechte der Einheimischen die Verantwortlichen nicht. Man beutete aus, weil Macht und Reichtum so viel Freude machten. Man nahm sich das Maximum des Möglichen zu Lasten von Urbevölkerung und Land. Und so verfuhr man überall, wo die Konquistadoren hinkamen.
Mit dem Ansatz des Übermenschen, dem vom Gott legitimierten Herrscher über die anderen, begaben sich die Europäer in die kommenden Jahrhunderte der Weltgeschichte. In Nordamerika gründeten die Europäer einen neuen Staat, die USA, der sich bis heute weigert zuzugestehen auf Europäer zurückzugehen. Auch dieser agierte imperialistisch. Ebenso verhält es sich mit Australien und einigen anderen Außenposten. Sehr spät stießen die Japaner dazu, die in einem Kulturschock bei erzwungener Öffnung des Landes für die westlichen Imperialisten, den Imperialismus selbst übernahmen. Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert findet der Imperialismus seinen Höhepunkt. Mit den beiden großen Kriegen der Imperialisten untereinander, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, beginnt dann der Zerfall des Imperialismus.
Der Zerfall, wenn wir es heute auch gelegentlich so lesen, war kein Entlassen der Kolonien in die Unabhängigkeit durch die Imperialisten. Die Imperialisten wollten ihre Kolonien nicht hergeben. Ein paar Rechte mehr für die Kolonien waren ihnen schon ein Graus, aber so eben noch ertragbar. Deren Unabhängigkeit auf keinen Fall. Aber die Unterdrückten waren es satt unterdrückt zu sein. Sie organisierten sich, sie leisteten Widerstand und sie erzwangen ihre Befreiung. Die Engländer gaben Indien nicht freiwillig her. Es waren die Inder, die sich ihr Land zurück erkämpft hatten. Die Portugiesen wollten Mosambik nicht hergeben und führten einen erbitterten Krieg. Und der belgische König hielt am Kongo als sein Privateigentum fest, so lange wie es dem gegen den riesigen Kongo gerade zu winzigen Belgien möglich war. Anderen Imperialisten erging es nicht anders.
Die veränderten Realitäten veränderten nicht automatisch auch die Gesinnung der Imperialisten. Bereits im 19. Jahrhundert bildete sich zwar eine veränderte Einstellung der Gesinnung heraus. Das sieht man an der Etablierung des Roten Kreuzes, am zu mindestens formalen Abschaffen der Sklaverei und an einer Aufstellung für Regeln für den Krieg. Aber mit diesem Fortschritten ging keine Wandlung gegen Rassismus einher. Rassistisch war man weiterhin. Man hielt sich weiterhin für die legitimen Herrscher. In den Köpfen der Europäer, einige sehr wenige Ausnahmen gab es sicherlich, änderte sich nichts. Auch als die Kolonien in die Unabhängigkeit gingen, änderte sich im Rassismus der Europäer nichts. In den USA, als ein Beispiel, wurden die letzten Heiratsverbote mit anderen Rassen erst in den 1960er Jahren aufgehoben.
Post-Imperialismus
Die Tatsache, dass die Imperialisten ihre Kolonien nicht hergeben wollten und sich weiterhin für die legitimen Herrscher hielten, half ihnen nicht, denn die Realitäten waren jetzt andere. Ihnen fehlten die Mittel zum Erhalt der Ordnung, wie sie bisher war. Und diese Mittel waren die bisher besessenen Monopole. Die Imperialisten verloren das militärische Monopol. Damit begann es. Es folgte der Verlust des kulturellen und des technischen Monopols. Später auch immer mehr das wirtschaftliche Monopol. Ohne die Monopole sind die Imperialisten nichts weiter als Träumer, die den Traum einer eigenen Erhöhung über andere träumen. Umsetzen können sie diesen Traum aber nicht mehr. Erwachen aus dem Traum wollen sie auch nicht. In gewisser Weise sind die ehemaligen Imperialisten in dem Traum gefangen. Die Realitäten werden ignoriert und verdrängt. Zu schön ist der Traum und zu schrecklich das Erwachen.
Das Erwachen ist aber zwangsläufig und wird nicht zu vermeiden sein. Technik und Innovation finden wir heutzutage vor allem in China. Die Chinesen werden auch in der Wirtschaftskraft führend werden. Ihr Einfluss auf die Weltpolitik und die Bestimmung der Ordnung wächst ständig. Wir zucken noch mit Protektionismus ab und zu auf, um die alten Zeiten zu verteidigen. Aber diese Zeiten gehen unweigerlich vorbei. Und leider sieht es nicht so aus als werden wir jetzt gleichberechtigte Partner an der Seite der übrigen Welt werden. Wir verträumen die Realitäten mit dem Traum der Vergangenheit und wollen nicht wahrhaben, dass unser Wohlstand nicht mehr von uns selbst bestimmt wird. Unser Weg führt in die Abhängig von anderen. Derzeit noch in einer Interdependenz, aber bald in einer Dependenz.
Fazit
Richtig ist natürlich auch, dass die Globalisierung in vielen noch in der Entwicklung befindlichen Ländern eine andere Form der Kolonisierung darstellt. Mit Gang in die Unabhängigkeit wurde man nicht automatisch Herrscher über die Ressourcen des eigenen Landes. Die Imperialisten erhielten sich in der Regel die wirtschaftliche Ausbeutung auf anderen Wegen. Ein komplexes Thema, das nicht Thema dieses Artikels ist.
Die Monopole, die uns eins die Herrschaft einst sicherten, haben wir nicht mehr. Verantwortungsbewusst sind wir mit der Herrschaft nicht umgegangen. Wir nahmen uns das, was wir kriegen konnten, ohne Rücksicht auf andere. Das ist menschliche Natur, so sagen es viele Philosophen. An unsere Stelle treten jetzt andere Menschen, die die Monopole beherrschen. Sie werden eben diese menschliche Natur, die wir haben, auch haben. Ebenso werden sie für sich das meiste und beste wollen. Sie werden sich auch alles nehmen, was sie kriegen können, ohne Rücksicht auf uns zu nehmen. Und so endet die Hegemonie der westlichen Welt. Aus den Unterdrückern werden Unterdrückte. Das ist der Lauf der Geschichte der Menschheit. So ging es jeder bisher entstandenen Kultur. So wird es auch unser Kultur ergehen. Oder haben wir uns als Menschen wirklich weiterentwickelt? Sind wir jetzt eine mutierte Spezies mit neuen sozialen Werten? Sind wir andere Menschen geworden? Ich befürchte das nicht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt!